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1. Theil 3 - S. 11

1861 - Hanover : Rümpler
11 6. Die Eroberung von Constantinopei im Jahre 1453. Sßon. Roltcck. Herling: Lehrbuch der Stilistik. Hannover 1837. Ii, 81. Lins dem ehrwürdigen, doch morschen Throne Constantü/s des Großen saß, nach langer Folge und blutigem Wechsel der Ge- schlechter, Constantin Xi. Aus daß dieser Thron, den so viele un- bedeutende, elende, abscheuliche Imperatoren entehrt hatten, doch noch mit Ruhm falle, dazu schien das Schicksal den männlichen Constantin ausbehalten zu haben. Daß der dürre Stamm, der in den Stürmen der Jahrhunderte bereits seine Krone und seine stolzen Äste verloren hatte, nicht mehr zu verjüngen sei, das fühlte er wohl; aber ihm lag ob, so lange, als möglich, das tödtende Beil vom Stamme selbst abzuhalten. 'Unsere Zeiten/ so hatte des Kaisers Vater, der weise Manuel, oft geklagt, 'vertragen die Größe und den Rilhm der Helden nicht; uns ist nur die Sorgfalt des bekümmerten Hansvaters übrig, der die letzten Trümmer seines ehemaligen Glücks ängstlich hütet/ — Getreu dieser Lehre, so viele Selbstverleugnung sie auch dem hochherzigen Constantin kostete, hatte er von Anbeginn seines Reiches dessen letzte Provinz an seine berrschsüchtigen Brüder überlassen und sah sich auf den nächsten Bezirk um Conftantinopel eingeschränkt, damit nicht im Bürgerkriege des Volkes Blut verspritzt würde. Er hatte durch eine feierliche Gesandtschaft bei Amurath, dem stolzen Sultan, um Anerkennung geworben. Aber was ist ein Staat, in dem der Keim bürgerlicher Zwietracht liegt? was ein Monarch, der von der Anerkennung eines Mächtigern abhängt? Constantin verbarg sich seine Lage nicht, und wie der erfahrne Schiffer einen Sturm voraussieht, der seinem zerbrechlichen Fahrzeuge droht, so stand am Tage der Thronbesteigung vor des Kaisers Seele der Untergang seines Reichs. Daher blieb er still und düster, als das Volk von Constantinvpel ihn jubelnd empfieng; und als sein treuer Phranza von der Sendung nach Georgien zurückkehrte, um dessen schöne Fürstin er für Constantin geworben hatte, rührten den Kaiser zwar die vielstimmigen Glückwünsche seiner Bürger, aber er warf sich im ersten zwanglosen Augenblicke an des Freundes Brust, um seinen Kummer darin niederzulegen. 'Ich habe/ sprach er, 'als ich dich nach Georgien sandte, dem Verlangen des Volkes nachgegeben, das einen Thronerben wünscht; aber andere Sorgen, als die Bereitung hochzeitlicher Feste, heischt das Schicksal von uns. Mir ahnet, diese Mauern werden früher des Krieges Donner, als den bräut- lichen Gesang vernehmen. Das Volk frohlockt in seinem Leichtsinn darüber, daß Amurath, der Furchtbare, todt ist: wohl war er furchtbar, doch gerecht und der Waffenthaten müde; aber der junge Löwe, der nun aus seinem Throne sitzt, wird er träge auf

2. Theil 3 - S. 13

1861 - Hanover : Rümpler
13 tische Willkür; aber die glänzendste, nach seiner Schätzung die rühmlichste, jedoch nach dem Ausspruche der Gerechtigkeit die ver- abscheuungswürdigste, war der Umsturz des griechischeil Reichs. Unter den Gesandten, die fern von Morgen um den Thron Mohamed's glückwünschend sich drängten, waren jene von Con- stantin die beflissensten gewesen. Zu allen sprach der Sultan das Wort des Friedens und der Freundschaft; aber nur ans seinen Lippen war das Wort, im Herzen brütete der Krieg. Der stolzeste aller Menschen erniedrigte sich aus Herrschsucht zur verächtlichsten aller Tücke. Daher, als er auf einem schnellen Kriegszuge einige auf- rührerische Provinzen beruhigt hatte, entriß er, schnell die Larve abnehmend, den sorglos schlummernden Griechen die schönsten Ländereien, deren Besitz er ihnen kurz vorher auf das feierlichste versichert hatte, und es ergieng der Befehl zur Erbauung eines festen, drohenden Schlosses an der Meerenge im Angesichte von Constantinopel. Damals schon beschloß Constantin mit echt rö- mischem männlichen Sinne, das Schwert zu ziehen, weil er es lieber früher, aber mit Ruhm und Erfolg, als später, aber hoff- nungslos ergreifen wollte; aber die Zaghaftigkeit der Menge und der unpatrivtische Geist der Großen zwangen ihn, sein Heil in Unter- handlungen zu suchen, in denen so wenig, als im Kriege, das schwache Recht gegen die starke Raubgier etwas vermag. Mohamed wollte Krieg, und so blieb auch dem Kaiser, wenn er nicht etwa schändlich vom Throne herabsteigen und als frei- williger Sclave die Gnade eines übermüthigen Herrn verehren wollte, nichts anderes übrig. Er bewilligte jenen Bau, und die Türken zerstörten ringsum Paläste und Tempel, um Mauersteine zu erhalten; sie tödteten einige kühne Vertheidiger der Altäre und mordeten grausam die Mannschaft eines Schiffes, das sich ge- weigert hatte, dem Schloßhauptmann einen widerrechtlich geforderten Zoll zu entrichten. Constantin trauerte und schwieg; aber da ließ ein übermüthiger Bassa seine und seines Gefolges Pferde im reifen Korn um Constantinopel weiden. Zürnend ob dem Raub und empört durch den Hohn, erschlugen die Landleute einige Frevler, und Mohamed, als wäre er selbst der Beleidigte, sandte seine mord- lustigen Scharen, die das unglückliche Dorf in Asche legten und weit umher die schuldlosen Schnitter würgten. Jetzt wurden die Thore Constantinopel's geschlossen, die Straßen füllten sich mit bestürzten Volkshaufen, und der Feigste sah ein, daß nur die Ent- scheidung des Schwertes übrig sei. — Es giebt auf der ganzen Welt keinen größern und erhabneren Anblick, als ein Volk, das beim Hereinbrechen der äußersten Gefahr sich ermannt und zur Rettung des Kostbarsten und Heiligsten, zur Vertheidigung seines Daseins und seiner Ehre, mit der Entschlossenheit der Verzweiflung die Waffen ergreift. Hier hört aller Unterschied des Geschlechts, des Alters und des Standes auf. Hnnderttausende sind wie von

3. Theil 3 - S. 15

1861 - Hanover : Rümpler
15 unbezwinglich war den einfachen Maschinen der früheren Belage- rung, das mußte den neu ersonnenen Werkzeugen der Zerstörung unterliegen. Gegen die vereinte und immer sich erneuende Macht des so- genannten türkischen Reichs, gegen die wüthenden, unablässigen Angriffe eines unabsehbaren Heeres und einer mächtigen Flotte sah sich Constantin, ohne Hoffnung eines Beistandes, aus die Hülfs- quellen seines eigenen Geistes beschränkt und auf den Arm von nicht zehntausend Streitern. Die Mächte Europas waren gleich- gültig bei seiner Noth geblieben. Furcht hielt die eine, die andere Verblendung, gehässige Leidenschaft oder kurzsichtiger Eigennutz von der dringenden Hülfe ab. Zwar noch stand es bei dem Kaiser, durch Unterwerfung sein Leben und vielleicht durch die Gnade des Siegers selbst Wohlleben zu erkaufen; aber er, der erste unter den Römern an Rang und Geist, achtete es seiner uiib des römischen Namens würdiger, der Nachwelt ein großes Beispiel von Helden- sinn zu hinterlassen. <Weil aber weder das Vorhalten deiner frü- heren Eide, noch meine äußerste Nachgiebigkeit dich entwaffnen kann,' antwortete der christliche Fürst auf des Sultans übermüthige Aufforderung, ffo beharre in deinem verbrecherischen Beginnen. Wenn der Herr die Stadt in deine Hände liefert, so werde ich in seinen heiligen Willen ohne Murren mich fügen; aber so lange Gott nicht zwischen uns entschieden hat, ist es meine Pflicht, zu streiten für Reich unfc Ehre.' — Schon zweiundsunfzig schreckliche Tage waren über die Bürger von Constantinopel hingegangen.' In den Donner des Geschützes mischte sich das Jammern der Angst und des Schreckens; durch die Stille der Nacht tönte das Ächzen der Verwundeten, das Wehklagen der Verwaisten. Was hals es den tapfern Streitern, daß ihr Schwert der Türken Scharen fraß? Die Lücken füllten sich bald aufs neue, und der glänzendste Er- folg ward zu theuer durch ihr kostbares Herzblut erkauft. So schwand allmählich die Hoffnung, und Mohamed, da er die Türme durch sein Geschütz zertrümmert, die Mauern zerbrochen sah, erließ den Befehl zum allgemeinen Sturme. In der Nacht sollten die Zubereitungen geschehen. Die Christen sahen weithin an beiden Gestaden unzählige Wachtfeuer lodern und das Meer von vielen Leuchten heranrudernder Schiffe glänzen, ein großes, prachtvolles, aber schreckliches, Unglück weissagendes Schauspiel. Dazu der dumpfe Ton der sich bewegenden und drängenden Heerscharen, das tausendfache Klirren der Waffen, und bald, mit dem ersten Morgen- strahl, der laute Donner des Geschützes, das Geprassel hundertfältiger Zerstörnngswerkzeuge und das hunderttausendstimmige Schlachtge- wühl blutdürstiger Krieger. — Nicht unvorbereitet waren die Grie- chen: der wachsame Constantin hatte des Feindes Bewegung er- späht. Er rief in der Mitternachtsstunde seine Verwandten, seine Freunde und die Edelsten, der Nation auf die Burg, um seine

4. Theil 3 - S. 16

1861 - Hanover : Rümpler
16 eigene Todesverachtung durch Feuerworte in ihre Seele zu hauchen. Er beschwor sie bei Nom's heiligem Namen und bei den Erinne- rungen, die ihn umschwebten; er mahnte sie, das Urtheil der Welt und Nachwelt zu scheuen, zeigte ihnen, daß dieses die Stunde sei, die über ihr und der Ihrigen Leben, Freiheit und Glück, über des Reiches Fortdauer oder Zerstörung unwiderruflich entscheiden müsse, und was Religion, Pflicht und Ehre von ihnen als Christen, Brüdern und Männern heische. Sie umarmten sich, weinten, schwuren, zu sterben fürs Vaterland, und jeder gierig an seinen Posten mit dem Entschlüsse, des römischen Namens würdig zu bleiben; aber der Kaiser, in dessen Gemüth die Hoffnung erloschen war, die er bei seinen Freunden zu entzünden gesucht hatte, begab sich in den Sophientempel, um das heilige Abendmahl zu empfangen, und von da flog er auf den äußersten Wall, um unter seinen Bürgern bis zum letzten Augenblick die Pflichten des Feldherrn und des gemeinen Kriegers zu erfüllen und dann zu sterben. Schon hatte der ungleiche Kampf begonnen, schon war der Tod umhergegangen unter tausend Gestalten. Land und Meer rötheten sich vom Blut. Doch was kümmerte dies den Sultan? Er hatte Streiter genug, um mit ihren Leichen die tiefen Gräben Constantinopel's auszufüllen und dann erst über sie hin den Weg zum Siege zu betreten. Noch waren, nach zweistündigem Gemetzel, die Griechen von keinem Punkte gewichen; aber ihr Arm fieng an, vom Schlachten müde zu werden, und jetzt führte Mohamed den Kern seiner Truppen, die schrecklichen Janitscharen, frisch in den Sturm. In diesem verhängnisvollen Augenblicke wurde der tapfere und kriegskundige Justiani, Befehlshaber der kleinen abendländischen Hülfsschar und vom Kaiser zum Oberanführer des ganzen Heeres erhoben, von einem Pfeile verwundet. Gewohnt, dem Tode zu trotzen, konnte er doch dem Schmerz seiner Wunde nicht widerstehen; er floh gegen die Stadt, um sich verbinden zu lassen. Da rief der Kaiser, dessen Blicke überall waren, ihm zu: 'Freund, deine Wunde ist leicht, die Gefahr dringend. Du bist hier nothwendig, uni> wohin willst du fliehen?' — 'Hierdurch will ich mich retten, wo Gott selbst den siegreichen Türken den Weg gebahnt hat!' sprach der von Schmerz überwältigte Mann und drängte sich durch einen Riß der Mauer in die Stadt. Viele „seiner Landsleute folgten ihm, und Constantinopel war verloren. Übermannt, zurückgedrängt von den Außenwerken, flohen die Griechen gegen die innere Mauer. Schon vernahmen die zitternden Bürger das siegreiche Allah, und ach, schon war Constantinopel nicht mehr. Nur, wo der Kaiser stand, war noch ein Kampf gewesen. Die Edelsten und Besten seines Reichs drängten sich um ihn. Er bat sie, ihn zu tobten, daß er nicht lebend in der Ungläubigen Hände falle, und warf den Purpur weg, um unerkannt unter seinen Mitstreitern zu fallen. Alle starben hier den männlichen Tod; aber kein Feind

5. Theil 3 - S. 17

1861 - Hanover : Rümpler
17 rühmte sich, den Kaiser getödtet zu haben: sein Körper lag unter seinen erschlagenen Gefährten, und ringsum türmte sich ein Hügel von feindlichen Leichen. Soll ich die Schreckniffe schildern, die jetzt folgten? das Angstgeschrei der Fliehenden, die Streiche der erbarmungslosen Wuth, die Blässe des Entsetzens, den tausend- stimmigen Jammer der Verzweiflung? Die Häuser standen verlassen; wehrlos zitternd, wie verscheuchte Schafe, drängten sich die un- glücklichen Bewohner in den Straßen und Plätzen, oder füllten die Tempel, um an den heiligen Altären eine Freistätte zu suchen; umsonst! alles schwamm in Blut, und was dem Mordschwerte entgieng, wurde der Naubsucht Opfer. Sich selbst nur die Ge- bäude vorbehaltend, hatte Mohamed die Schätze Constantinopel's sammt ihren Eigenthümern seinen stürmenden Soldaten geschenkt, und sie eilten, dieses frevlerische Geschenk zu gebrauchen. Alle Kost- barkeiten der Stadt, die Meisterwerke griechischer Kunst und Pracht wanderten, viele zertrümmert, nach dem türkischen Lager, und bald kehrten die Räuber zurück, sich der Geplünderten selbst neben ihrer Habe zu versichern. Ohne Rücksicht des Standes und des Alters, ohne Schonung der heiligsten Baude der Natur und des Herzens, so wie der Zufall, das Recht der erstell Ergreifung, oder das Machtwort eines Stärkern sie austheilte, sahen die unglücklichen Griechen sich voll gefühllosen Tyrannen in die Sklaverei geschleppt. Man band sie zusammen wie verächtliche Thiere. Das edle Mäd- chen mit dem Manne des Pöbels, der Patrizier mit dem niedrigsten Knechte, die Nonne mit dem Galeerensclaven zusammengekoppelt, fühlten der nämlichen Geisel Hiebe. Der Geliebte wurde getrennt von der weinenden Braut, der Freund vom Freunde; des alten Vaters Armen entwand man den Sohn, und die Mutter, die ängstlich nach der geliebten Tochter blickte, sah sie, von sich weg- gerissen, in einen fernen unbekannten Kerker ziehen. Vielen gab die Verwirrung Hoffnung zur Flucht. Ganze Scharen knieten aus dem Strande und beschworen die wegrlldernden Schisser, sie in ihre Barken aufzunehmen. Unerbittlich blieben die einen; andere, die ihre Fahrzeuge mit Flüchtlingen überluden, versanken auf hohem Meere. Manche flohen gegen die Gebirge; aber wen der nach- folgende Feind ereilte, der blutete unter seinen Streichen. Die Glücklichsten irrten viele Tage in Wildnissen umher. Senatoren, Reiche aller Klassen, dem Schoße der Bequemlichkeit, der Fülle des Lebensgenusses entrissen, lernten zum erstenmal des Hungers ver- zehrende Qualen kennen und trugen, stöhnend unter der Bürde weniger geretteter Habseligkeiten, die wunden Füße durch Dickicht und Dornen. Noch füllte Mord, Raub und jede Gewaltthat die unglückliche Stadt. Da betrat Mohamed im Triumphgepränge die bluttriefenden Straßen, und ein Herold verkündigte Gnade dem elenden Überreste des Griechenvolks. Mit einer eisernen Keule bewaffnet, ritt er Colshorn u. Goedeke's Lrsebuch Iii. 2

6. Theil 3 - S. 28

1861 - Hanover : Rümpler
28 sah. Nie war er gewaltiger gewesen, der furchtbare Mann, der seine Überzeugung im hitzigsten innern Streit dem Zweifel und Teufel abgerungen hatte. Ganz anders erscheint seine Persönlichkeit im Streit mit ir- dischen Feinden. Hier bewährt er fast immer sichere Überlegenheit, am meisten in seinen literarischen Fehden. Riesengroß war seine schriftstellerische Thätigkeit, welche er von 1517 entwickelte. Bis zu diesem Jahr hatte er wenig drucken lassen; von da wurde er auf einmal nicht nur der fruchtbarste, auch der größte populäre Schriftsteller der Deutschen. Die Energie seines Stils,, die Kraft seiner Beweisführung, Feuer und Leiden- schaft seiner Überzeugung wirkten hinreißend. So hatte noch keiner zum Volke gesprochen. Jeder Stimmung, allen Tonarten fügte sich seine Sprache: bald knapp und gedrungen und scharf wie Stahl, bald in reichlicher Breite ein mächtiger Strom drangen die Worte ins Volk; ein bildlicher Ausdruck, ein schlagender Vergleich machte das Schwerste verständlich. Es war eine wundervolle schöpferische Kraft. Mit souveräner Leichtigkeit gebrauchte er die Sprache, sobald er die Feder ergriff, arbeitete sein Geist mit höchster Freiheit; man sieht seinen Sätzen die heitere Wärme an, die ihn erfüllte, der volle Zauber eines herzlichen Schaffens ist über sie ausgegossen. Und solche Gewalt ist nicht am wenigsten sichtbar in den Angriffen, die er einzelnen Gegnern gönnt. Und engver- bunden ist sie mit einer Unart, die schon seinen bewundernden Zeit- genossen Bedenken verursachte. Er liebte es auch mit seinen Geg- nern zu spielen; seine Phantasie umkleidet ihm die Gestalt des Feindes mit einer grotesken Maske, und dies Phantasiebild neckt, höhnt und stößt er mit Redewendungen, die nicht gemäßigt und nicht immer anständig klingen. Aber grade in seinem Schmähen wirkt die gute Laune in der Regel versöhnend, freilich nicht auf die Be- troffenen. Fast nie ist kleine Gehässigkeit sichtbar, nicht selten die unverwüstliche Gutherzigkeit. Zuweilen geräth er freilick in einen wahren Künstlereifer; dann vergißt er die Würde des Reformators und zwickt wie ein deutsches Bauernkind, ja wie ein boshafter Kobold. Wie hat er alle seine Gegner gezaust! Bald durch Keu- lenschläge, die ein zorniger Riese führt, bald mit der Peitsche eines Narren. Gern verzog er ihre Namen ins Lächerliche, so lebten sie im Wittenberger Kreise als Thiere, als Thoren. Eck wurde vr. Geck, Murner erhielt Katerkopf und Krallen, Emser, der sein Wappen, das Haupt einer gehörnten Ziege, jeder Streitsckrift Vor- drucken ließ, wurde als Bock mishandelt, dem abtrünnigen Hu- manisten Cockläus wurde sein lateinischer Name zurückübersetzt, und Luther begrüßte ihn als Schnecke mit undurchdringlichem Harnisch. Sah ihn später solcher Erguß übermüthigen Eifers aus der Druck- schrift an, und klagten die Freunde: dann ärgerte er sich wohl selbst über seine Rauheit, er schalt sich und bereute aufrichtig, aber

7. Theil 3 - S. 33

1861 - Hanover : Rümpler
33 war es doch zugleich ein prophetisches Almen naher Zukunft. Nicht das Weltende bereitete sich vor, aber der dreißigjährige Krieg. So starb er. Als der Wagen mit seiner Leiche durch die thüringischen Lande fuhr, läuteten alle Glocken in Dorf und Stadt, und die Leute drängten sich schluchzend an seinen Sarg. Es war ein guter Theil der deutschen Volkskrast, der mit diesem einen Manne eingesargt wurde. Und Philipp Melanchthon sprach in der Schloßkirche zu Wittenberg vor seiner Leiche: <Ein jeder, der ihn recht erkannt, muß dieses zeugen, daß er sehr ein gütiger Mann gewesen, mit allen Reden holdselig, freundlich und lieblich, und gar nicht frech, stürmisch, eigensinnig oder zänkisch. Und war doch daneben ein Ernst imb eine Tapferkeit in seinen Worten und Ge- berden, wie in einem solchen Mann sein soll. Sein Herz war treu und ohne Falsch. Die Härte, so er wider die Feinde der Lehre in Schriften gebrauchte, kam nicht ans zänkischem und bos- haftem Gemüth, sondern ans großem Ernst und Eifer zu der Wahr- heit. Er hat einen sehr großen Muth und Mannheit erzeigt und sich nicht bald ein kleines Rauschen erschrecken lassen. Nicht ist er durch Dräuen, Gefahr und Schrecknis verzagt worden. Er ist auch von so hohem scharfen Verstand gewesen, daß er allein, vor andern, in verwirrten, dunkeln und schweren Händeln bald ersehen konnte, was zu rathen und zu thun war. — Wir aber sollen ein stetig, ewig Gedächtnis dieses unsers lieben Vaters behalten und ihn ans unserm Herzen nicht lassen.' So war Luther. Eine dämonische Natur, schwerflüssig und scharf begrenzt sein Geist, gewaltig und maßvoll sein Wollen, rein seine Sittlichkeit, voll Liebe sein Herz. Weil sich außer ihm keine andere Manneskraft erhob, stark genug, Führer der Nation zu werden, hat das deutsche Volk für Jahrhunderte die Herrschaft auf der Erde verloren. Die Herrschaft der Deutschen im Reich des Geistes aber ruht aus ihm. 11. Johannes Laut. S3on Schwab. . Gedichte 4. Aufl. Stuttgart und Tübingen 4851. S. 287. kategorischen Jmperativus fand, Das weiß ein jedes Kind, Immanuel Kant. Dem kategorischen Jmperativus treu, Zwang durch ihn wilde Seelen zu frommer Scheu Lang' vor Immanuel Herr Johannes Kant, Und wenige wiffen's, wie die Sache bewandt. Derselb' ein Doctor Theologiä war In schwarzer Kapuze, mit langem Bart und Haar, So saß er zu Krakau auf dem Lehrersitz, Cvlshorn u. Goedeke's Lesebuch Iii. 3

8. Theil 3 - S. 36

1861 - Hanover : Rümpler
36 12. Du sollst nicht lügen. Don Kant. Werke, herausg. von Hartenstein. Leipzig 1838 u. 39 V, 469. (Gekürzt.) Ein französischer Philosoph läßt sich folgendermaßen vernebmen: <Der sittliche Grundsatz, es sei eine Pflicht, die Wahrheit zu sagen, würde, wenn man ihn unbedingt und vereinzelt nähme, jede Ge- sellschaft zur Unmöglichkeit machen. Den Beweis davon haben wir in deil sehr unmittelbaren Folgerungen, die ein deutscher Phi- losoph aus diesem Grundsätze gezogen hat, der so weit geht, zu behaupten, daß die Lüge gegen einen Mörder, der uns fragte, ob unser von ihm verfolgter Freund sich nicht in unser Haus ge- flüchtet, ein Verbrechen sein würde.' Der französische Philosoph faßt sodann seinen Versuch einer Widerlegung in die Worte zu- sammen! <Kein Mensch hat Recht auf eine Wahrheit, die anderen schadet.' Daß ich linter dem ^deutschen Philosophen' gemeint sei, hat der Frailzose selbst an Gramer gesagt; und daß Obiges wirklich an irgelld einer Stelle, deren ich mich aber jetzt nicht mehr be- sinnen kann, von mir gesagt worden, gestehe ich hiedurch, füge auch gleich hiilzu, daß ich jenen Grundsatz mit allen seinen Folge- rungen allfrecht halte. Denn abgeseheil davoil, daß der Ausdruck: ‘an Recht auf die Wahrheit haben,' ein Wort ohne Sinn ist, so ist auch der ganze Inhalt des gegilerischen Satzes durchaus irrig. Wahrhaftigkeit in Aussagen, die man nicht umgehen kann, ist formale Pflicht des Menschen gegen jeden, es mag ihm oder einem andern daralls auch noch so großer Nachtheil erwachseilz und ob ich zwar dem, welcher mich lingerechterweise zur Aussage nöthigt, nicht Unrecht thue, wenn ich sie verfälsche, so thue ich doch durch eine Verfälschung, die darum allch, obzwar nicht im Sinn des Juristen, Lüge genannt werden kann, im wesentlichsten Stücke der Pflicht überhaupt Unrecht, d. i. ich mache, so viel an mir ist, daß Aussagen (Declarationen) überhaupt keinen Glauben stnden, mithill auch alle Rechte, die aus Verträge gegründet werden, wegfallen und ihre Kraft einbüßen, welches ein Unrecht ist, das der Menschheit überhaupt zugefügt wird. Die Lüge also, bloß als vorsätzlich unwahre Declaration gegeil ei,len anderil Menschei, definiert, bedarf nicht des Zusatzes, daß sie einem anderen schaden müsse, wie die Juristen es zu ihrer Definition verlailgen. Denn sie schadet jederzeit einem anderen, wenngleich nicht einem ailderen Menschen, doch der Menschheit überhaupt, indem sie die Rechtsglielle unbrauchbar macht. Diese gutmüthige Lüge kann aber auch dlwch einen Zufall strafbar werden, nach bürgerlichen Gesetzen, beim vor den göttlichen ist sie es; was aber bloß dlirch deil Zufall der Straffälligkeit

9. Theil 3 - S. 37

1861 - Hanover : Rümpler
37 entgeht, kann auch nach äußeren Gesetzen als Unrecht abgeurtheilt werden. Hast du nämlich einen eben jetzt mit Mordsucht Um- gehenden durch eine Lüge an der That verhindert, so bist du für alle Folgen, die daraus entspringen möchten, aus rechtliche Art verantwortlich. Bist du aber strenge bei der Wahrheit ge- blieben, so kann dir die öffentliche Gerechtigkeit nichts anhaben, die nnvorhergesehene Folge mag sein, welche sie wolle. Es ist doch möglich, daß, nachdem du dem Mörder auf die Frage, ob der von ihm Angefeindete zu Hause sei, ehrlicherweise mit Ja geantwortet hast, dieser doch unbemerkt ausgegangen ist, und so dem Mörder nicht in den Wurf gekommen, die That also nicht geschehen wäre: hast du aber gelogen und gesagt, er sei nicht zu Hause, und er ist auch wirklich, obzwar dir unbewußt, ausgegangen, wo denn der Mörder ihm im Weggehen begegnete und seine That an ihm ver- übte; so kannst du mit Recht als Urheber des Todes desselben an- geklagt werden. Denn bättest du die Wahrheit, so gut du sie wußtest, gesagt; so wäre vielleicht der Mörder über dem Nachsuchen seines Feindes im Hause von herbeigelaufenen Nachbarn ergriffen und die That verhindert worden. Wer also lügt, so gutmüthig er auch dabei gesinnt sein mag, muß die Folgen davon, selbst vor dem bürgerlichen Gerichtshöfe, verantworten und dafür büßen, so unvorhergesehen sie auch immer sein mögen, weil Wahrhaftigkeit eine Pflicht ist, die als die Basis aller aus Vertrag zu gründenden Pflichten angesehen werden muß, deren Gesetz, wenn man ihr auch nur die geringste Ausnahme einräumt, schwankend und unnütz gemacht wird. Es ist also ein heiliges, unbedingt gebietendes, durch keinen Unterschied zwischen Personen einzu- schränkendes Veruunstgebot, in allen Erklärungen wahrhaft (ehrlich) zu sein, und der deutsche Philosoph' wird daher den obigen Satz des ffranzösischen Philosophen' nicht zu seinem Grundsätze annehmen. Eine Frage. V, 263. Muß ich, wenn ich in wirklichen Geschäften, wo es aufs Mein und Dein ankommt, eine Unwahrheit sage, auch alle die Folgen verantworten, die daraus entspringen möchten? Z. B. ein Haus- herr hat befohlen, daß, wenn ein gewisser Mensch nach ihm fragen würde, der Dienstbote ihn verleugnen solle. Der Dienstbote thut dieses, veranlaßt aber dadurch, daß jener entwischt und ein großes Verbrechen ausübt, welches sonst durch die gegen ihn ausgeschickte Wache wäre verhindert worden. Auf wen fällt hier die Schuld? Allerdings auch mit auf den Dienstboten, welcher hier eine Pflicht gegen sich selbst durch eine Lüge verletzte, deren Folgen ihm nun durch sein eigenes Gewissen zugerechnet werden.

10. Theil 3 - S. 38

1861 - Hanover : Rümpler
38 Anmerkungen. V, 260 u. 262. 1. Jede Lüge, d. i. jedes Widerspiel der Wahrhaftigkeit, ist eine Nichtswürdigkeit; sie ist die größte Verletzung der Pflicht des Menschen gegen sich selbst, ja sie ist die Wegwerfung, gleichsam Ver- nichtung seiner Menschenwürde, und Ehrlosigkeit, die jede Lüge be- gleitet, die begleitet auch den Lügner, wie sein Schatten. 2. Es ist merkwürdig, daß die Bibel das erste Verbrechen, wo- durch das Böse in die Welt gekommen ist, von der ersten Lüge datiert lind als den Urheber alles Bösen den Lügner von An- fang an und den Vater der Lügen nennt. 13. Das Göttliche. Von Goethe. Werke. Stuttgart und Tübingen 1840. Ii, 67. Edel sei der Mensch, Hülfreich und gut! Denn das allein Unterscheidet ihn Von allen Wesen, Die wir kennen. Heil den unbekannten Höhern Wesen, Die wir ahnen! Sein Beispiel lehr' uns Jene glauben. Denn unfühlend Ist die Natur: Es leuchtet die Sonne Über Bös' und Gute, Und dem Verbrecher Glänzen, wie dem Besten, Der Mond und die Sterne. Wind und Ströme, Donner und Hagel Rauschen ihren Weg Und ergreifen, Vorüber eilend, Einen um den andern. Auch so das Glück Tappt unter die Menge, Faßt bald des Knaben Lockige Unschuld, Bald auch den kahlen Schuldigen Scheitel. Nach ewigen, ehrnen, Großen Gesetzen Müssen wir alle Unseres Daseins Kreise vollenden. Nur allein der Mensch Vermag das Unmögliche; Er unterscheidet, Wählet und richtet; Er kann dem Augenblick Dauer verleihen. Er allein darf Den Guten lohnen, Den Bösen strafen, Heilen und retten, Alles Irrende, Schweifende Nützlich verbinden. Und wir verehren Die Unsterblichen, Als wären sie Menschen, Thäten im Großen, Was der Beste im Kleinen Thut oder möchte. Der edle Mensch Sei hülfreich und gut! Unermüdet schaff' er Das Nützliche, Rechte, Sei uns ein Vorbild Jener geahneten Wesen!
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